Sonntag, 23. Januar 2011

Juni 2010: Vorstellung an Uni Stuttgart

Infos-Vortragsveranstaltung am 8. Juni 2010 zum Thema

Informatiker(innen) -
Götter oder Maschinisten des Internet?

Dieses für eine Veranstaltung des Informatik-Forum Stuttgart durchaus provokante Thema hat folgenden Hintergrund: Das hohe Innovationstempo im Bereich der Informatik ist ungebrochen. Computer und Internet sind Alltagsthemen geworden. Mit seinen heutigen Anwendungen vernetzt das Internet Millionen von Computern, Firmen und Organisationen. Es unterstützt private und professionelle Nutzer in vielfältigster Weise. Es verändert Wirtschaft und Gesellschaft.

Welche Rolle aber spielen die Informatiker(innen) in diesem Prozess? Sind sie die Götter, die zwar alles anstoßen, sich dann aber aus dem Geschehen zurückziehen? Oder sind sie nur die Maschinisten, die dafür sorgen, dass das Ganze reibungslos läuft? Die Antworten, die wir brauchen, liegen zwischen diesen beiden Extremen. Informatiker(innen) haben unterschiedliche Aufgaben: Sie sind verantwortlich für die Generierung neuer Ideen und die Erschaffung neuer Anwendungswelten. Sie sichern aber auch deren zuverlässigen Betrieb und sie beachten die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt.

Gastreferenten der Veranstaltung waren Professor Dr. Ernst Denert aus Grünwald bei München und Frau Professorin Dr. Barbara Paech von der Universität Heidelberg. Herr Denert ist Vize-Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI) und war Gründer und langjähriger Vorsitzender der Softwarefirma sd&m AG. Er sprach  aus der Sicht der Praxis und aufgrund seiner reichen Erfahrung zu folgenden Fragen:

-       Ein wenig Staunen über das Internet. Warum kommen wir ohne Internet nicht mehr aus?
-       Was machen (eigentlich) Informatiker?
-       Wie kann man Schüler für dieses Fach begeistern?
-       Was wir vom Software-Ingenieur erwarten – ein Gleichgewicht von fundiertem Fachwissen und kommunikativer Persönlichkeit.

Es überraschte nicht, dass Prof. Denert weiterhin für eine hohe Qualifikation unserer Informatik-Absolventen plädierste und damit auch fragen musste: „Führt der Bologna-Prozess zu mehr Exzellenz oder müssen wir eher das Gegenteil befürchten?

Frau Paech ist Professorin für Software-Engineering der Univ. Heidelberg und  Sprecherin des Fachbereichs Softwaretechnik der GI. Sie legte in ihrem Vortrag über das (Berufs-)Bild der Informatiker(innen) sorgfältig dar, was Universitäten und Hochschulen tun können, um diese Absolventen noch besser für die Berufswelt von morgen vorzubereiten. Eine sehr wichtige Aufgabe ordnete sie auch unseren Schulen zu. Sie müssen in ihrem Unterricht die fachlichen Grundlagen für ein erfolgreiches Informatikstudium legen. Zugleich haben sie über die Rolle der modernen Informatik in der Berufswelt und der Gesellschaft aufzuklären und so mitzuwirken, viele geeignete Schüler und insbesondere Schülerinnen für ein Studium der Informatik zu begeistern.

Ein weiterer Höhepunkt der Veranstaltung war die Vorstellung des Buches "Schuld sind die Computer!" durch die Autoren Prof. Dr. Albert Endres und Prof. Dr. Rul Gunzenhäuser. Beide Autoren sind Fellows der GI. Sie waren viele Jahre lang als Hochschullehrer der Stuttgarter Informatik verbunden. Die Publikation ist zugleich bei der Akademischen Verlagsgesellschaft AKA in Heidelberg und als Band 8 in der Reihe der infos-Broschüren erschienen.

Was ist das Ziel dieses Buches? Es kann nicht übersehen werden, dass es in unserer Gesellschaft schon immer eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber Computern und ihren Anwendungen gegeben hat und vermutlich auch weiterhin geben wird. Informatiker(innen)sind gut beraten, solche negativen Haltungen zur Kenntnis, ja ernst zu nehmen. Es ist nach Auffassung der Autoren Teil der professionellen Verantwortung von Informatikern und Informatikerinnen, viele  Ängste, Gefahren und Probleme der Nutzer zu verstehen und ihnen entgegen zu wirken.

Insgesamt 36 Themenbereiche wie beispielsweise    kaum Software ohne Fehler,     zunehmende Eigentumsdelikte,    gläserner Kunde und gläserner Bürger, Angriff auf das Menschenbild oder  Informatik kein Beruf für Frauen werden aus unterschiedlichen Sichten (Anfänger und Gelegenheitsnutzer, erfahrene und professionelle Nutzer, Kulturinteressierte oder Informatiker als Berufsgruppe) dargestellt, wobei es zu jedem Thema Fragen, Fakten und Erklärungen, Bewertungen und Vorschläge sowie weiterführende Informationen gibt.

Die Autoren erhoffen sich folgende Wirkung ihrer Publikation: Informatiker(innen) erklären sich auch für Ängste, Gefahren und Probleme aus ihrem Umfeld als zuständig. Diese Probleme und ihre Lösungen werden benannt und fortgeschrieben. Die Öffentlichkeit gewinnt dadurch mehr Vertrauen zu den Informatiker(innen) und ihren Produkten. Welches Resumée können wir nun insgesamt aus dieser recht gut besuchten infos-Veranstaltung ziehen? Vielleicht eine erste Antwort auf die Frage des Vortragsthemas:  Informatiker sind keine Götter, die sich als Überflieger um nichts kümmern, sie sind zwar Maschinisten, arbeiten aber sauber und beachten die Aiswirkungen auf unser Umfeld, vor allem aber sind sie sensible Menschen.


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Prof. Dr. R. Gunzenhäuser; infos-Zeitung – Jahrgang 14 (2010), Heft 1
11. 06. 2010

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